Viele Bewohner der oberen Kaiserstraße haben sich hinsichtlich der geplanten Markttangente mit einem offenen Brief an die Stadt Herzogenrath gewandt. Eine Bewohnerin, die diesen offenen Brief ins Leben rief, hatten uns zuvor schon kontaktiert und über ihre Sorgen und Einwände hinsichtlich der aktuell vorliegende Pläne zur Tangente gesprochen. Nun hat sie sich mit vielen anderen Anwohner der oberen Kaiserstraße gemeinsam an Herrn von den Driesch in Form eines offenen Briefes gewandt. Dazu hat jeder der Anwohner mit seiner Unterschrift diesen Brief gekennzeichnet, um ein Zeichen setzen zu wollen gegen die Pläne, wie sie in der Einwohnerversammlung vorgestellt wurden. Es kamen bisher circa 30 Unterschriften zusammen.
Die Anwohner der oberen Kaiserstraße Kohlscheid, 07.03.2018
Kaiserstraße 1-45
52134 Herzogenrath
Offener Brief an den Bürgermeister und den Rat der Stadt Herzogenrath zur geplanten Markttangente in Kohlscheid
Sehr geehrter Herr von den Driesch, sehr geehrte Damen und Herren Ratsmitglieder,
wir wenden uns heute an Sie als gewählte Vertreter der Einwohner unserer Stadt, um unseren Sorgen und Einwänden hinsichtlich der aktuell vorliegenden Planung einer Markttangente, wie sie auf der Einwohnerversammlung am 27.02.2018 vorgestellt wurde, Ausdruck zu verleihen.
Den Bau einer Markttangente mit dem Ziel, die zuweilen chaotische Verkehrssituation in der Südstraße zu entschärfen, den Marktplatz zu entlasten und so einen angenehmen, zum Verweilen einladenden urbanen Mittelpunkt in Kohlscheid zu schaffen, begrüßen wir als Anwohner in der unmittelbaren Nachbarschaft sehr.
Mit Entsetzen mussten wir jedoch zur Kenntnis nehmen, dass die vorliegende Planung weit darüber hinaus geht. Hier handelt es sich nun nicht mehr um eine kleinräumige Umfahrung für Südstraße und Markt, sondern um den Bau einer regelrechten „Umgehungsstraße“ ohne direkte Anbindung an die Bebauung, ohne zusätzliche Einmündungsmöglichkeiten oder Querungsmöglichkeiten für Fußgänger außerhalb der geplanten Kreisverkehre, ohne straßenbegleitende Parkstreifen, dafür jedoch mit Lärmschutzwänden und mit – wie in der Versammlung mehrfach betont wurde – „überregionaler Bedeutung“!
In diesem Zusammenhang wurde konkret für uns in der oberen Kaiserstraße eine Verdoppelung des Verkehrsaufkommens prognostiziert – eine Vision, die wir uns als Anwohner gar nicht vorzustellen wagen. Um die konkreten Auswirkungen mindestens zu begrenzen, bitten wir um Umsetzung folgender flankierender Maßnahmen:
1) Langfristiger Erhalt der beiden seitlichen Parkstreifen
Da die teilweise über 100 Jahre alten Häuser größtenteils nicht über Garagen verfügen, sind wir als Anwohner auf die Abstellflächen für unsere Fahrzeuge angewiesen.
2) Begrenzung der Geschwindigkeit auf Tempo 30
Als Anwohner müssen wir auch künftig noch die Möglichkeit haben, die Straße zu überqueren, in unsere Fahrzeuge ein und aus zu steigen, zu parken und Einkäufe auszuladen, ohne einen Auffahrunfall zu verursachen.
3) Generelles Durchfahrverbot für LKW über 7,5t
Die alten, teilweise denkmalgeschützten Häuser in der oberen Kaiserstraße verfügen größtenteils noch nicht über Betonfundamente und sind damit besonders anfällig für Erschütterungen – wie ein Anwohner auf der Versammlung sagte: „Wenn ein schwerer LKW vorbei fährt, klirren bei uns die Gläser im Schrank“. Gebäudeerschütterungen solchen Ausmaßes werden bei dauerhaftem Auftreten zu massiven Schäden an den historischen Gebäuden führen.
4) Durchfahrverbot für alle LKW zwischen 22 und 6 Uhr
Aufgrund der vorstehend geschilderten baulichen Gegebenheiten bei den meisten Häusern in der oberen Kaiserstraße ist an eine halbwegs erholsame Nachtruhe andernfalls nicht mehr zu denken.
5) Finanzielle Förderung von individuellen Maßnahmen der Hauseigen-tümer zur Verbesserung des Schallschutzes
Durch die Verdoppelung des Verkehrsaufkommens wird die Schallbelastung in den Wohn- und Schlafräumen der angrenzenden Häuser stark erhöht, so dass zum Erhalt der Wohnqualität Maßnahmen mit erheblichem finanziellen Aufwand auf die einzelnen Eigentümer zukommen.
6) Einhaltung der Immissionsgrenzwerte in der oberen Kaiserstraße
durch regelmäßige Messungen zu den Hauptverkehrszeiten und zeitnahe Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität bei Bedarf.
7) Keine Umwidmung der oberen Kaiserstraße in eine Kreis- (bzw. Städteregions-) oder gar Landesstraße
Hierdurch würden flankierende Maßnahmen – wie unter Punkt 1 bis 6 dargestellt – erschwert bis unmöglich gemacht.
Neben diesen konkreten Maßnahmen bitten wir Sie eindringlich, die vorliegende Planung noch einmal grundsätzlich zu hinterfragen und zu überdenken.
Mit einer Markttangente in der jetzt vorgelegten Form soll mitten durch ein – bisher trotz aller Verkehrsprobleme liebenswertes – Wohnquartier eine Autoschneise geschlagen werden, auf der der störungsfreie Autoverkehr oberste Priorität hat. Eine Planung also, wie man sie sonst nur von außerörtlichen Umgehungsstraßen kennt und die für ein innerstädtisches Quartier alles andere als zeitgemäß ist.
Wir Anwohner wünschen uns eine Markttangente, die den bisherigen Charakter von Kohlscheid als Wohn- und Lebensraum aufgreift und die „gemütliche“ Bebauung (zweigeschossige, an die Straße angebundene Gebäude) fortsetzt. Für die Entlastung der Südstraße und des Marktplatzes ist eine normale innerstädtische Straße mit Wohncharakter sowie Park-, Querungs- und Einmündungsmöglichkeiten vollkommen ausreichend.
Warum wird nicht die Gelegenheit zu einer positiven Weiterentwicklung genutzt, indem hier ein neues, attraktives, zentrumsnahes Wohnquartier geschaffen wird? Dadurch kann zusätzliche Kaufkraft angezogen werden, die der Entwicklung eines urbanen Mittelpunktes in Kohlscheid zugute kommt. Eine „seelenlose“ Umgehungsstraße hingegen wird genau das Gegenteil bewirken. Sie wird zusätzlichen Verkehr in das ohnehin belastete Kohlscheider Zentrum ziehen und die Attraktivität von Kohlscheid als Wohn- und Lebensraum eher vermindern.
Und bitte bedenken Sie bei Ihrer Entscheidung auch eines:
Was jetzt in Beton gegossen wird, ist für die nächsten Jahrzehnte in Kohlscheid zementiert und wird die weitere Entwicklung des alten Ortskerns maßgeblich mit beeinflussen!
Für einen weiteren Austausch mit Ihnen und der Verwaltung stehen wir gern zur Verfügung und würden uns über eine Kontaktaufnahme freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Die Anwohner der oberen Kaiserstraße